Unsere Störche erreichen Deutschland etwa Mitte März, nachdem sie in Afrika überwintert haben. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Routen, die Weißstörche wählen, um in den Süden zu gelangen. Das hängt davon ab, wo sie gebrütet haben.
Quelle: www.nabu.de
Die Henneckenroder Störche wählen die östliche Route, die sie über den Bosporus in der Türkei nach Israel bis in den Sudan und dann weiter nach Tansania und sogar nach Südafrika führt. Wir wissen das, weil sie uns ab Mitte März verhältnismäßig spät im Jahr erreichen. Da sind die Störche der Westroute schon längst in den Brutgebieten angekommen! Übrigens wählen fast 75 Prozent der deutschen Weißstörche für ihren Zug in die Überwinterungsgebiete die Ostroute – Tendenz fallend. Die Störche Südwestdeutschlands nehmen gemeinsam mit ihren Artgenossen aus Frankreich, Spanien und der Schweiz die westliche Zugroute über Gibraltar und die Sahara, um in Westafrika den Winter zu verbringen. In den letzten Jahren haben sich aber mehr und mehr Störche den Weiterzug abgewöhnt. Sie bleiben in Portugal und Spanien, wo sie auch in den Wintermonaten auf Mülldeponien ausreichend Nahrung finden.
Ankunft
Wenn die Störche landen, ist ihr Gefieder noch von der langen Reise schmutzig und sie sind geradezu ausgehungert.
Bei uns kommt mal das Weibchen, mal der männliche Storch zuerst am Schornstein an. Da die weiblichen Tiere der letzten Jahre nicht beringt waren, können wir nur unseren Storchenvater Addi Adebar, der seit 2017 jedes Jahr erfolgreich gebrütet hatte, identifizieren. Er trägt die Ringnummer DEW-8X614 und ist nicht nur daran, sondern auch an seiner stattlichen Größe zu erkennen. Gerade in der Ankunftszeit widmen sich die Vögel ihrer Feder- und Nestpflege.
Nestpflege
Die Störche reparieren nicht nur das Nest, indem sie die Birkenzweige zurechtrücken und neue einflechten, sie tragen auch sehr viel Moos und anderes weiches Füllmaterial in ihren Horst, damit es sich der Nachwuchs später gemütlich machen kann.
Brutzeit
Ein paar Tage bis zu zwei Wochen nach Ankunft hört man das Klappern der Störche noch häufiger als Mitte März. Addi und seine Partnerin führen spannende Balztänze auf und feiern immer wieder Hochzeit.
Sie sind nicht sich selbst, wohl aber unserem Schornstein treu. Und nach der Paarung bleiben sie auch zusammen. Störche führen also eine "Saisonehe".
Ende März oder Anfang April wird es ruhiger im Horst auf dem Schornstein. Nach der Eiablage wechseln sich die Störche mit dem Brüten ab. Wobei es bei uns so ist, dass die Storchenmama viel viel öfter auf den Eiern sitzt als Addi. Wenn Ablöse ist, klappern sie auch und begrüßen sich, was gut zu beobachten ist. Ansonsten sieht man in dieser Zeit fast gar nichts, da sich gerade die Henne sehr klein macht und schützend auf dem Gelege sitzt. Ab und zu sieht man, wie sie die Eier wendet.
Aufzucht
30 bis 32 Tage später sind die ersten Storchenbabys geschlüpft, also bei uns ungefähr Anfang Mai. Da der Horst ja nicht einsichtig ist und die brütenden Störche sich nun noch stärker ducken, damit den Kleinen nichts passiert, muss man schon genau hinschauen.
Erstes Indiz dafür, dass der Schlupf stattgefunden hat, ist der schnellere Wechsel der Störche. Der Nachwuchs ernährt sich am Anfang nur von Regenwürmern oder Insekten, da muss man ganz schön oft fliegen!
In Henneckenrode ist aufgrund der Uneinsichtigkeit des Nestes immer sehr spannend, da man nur vermuten kann, wieviel Nachwuchs es gibt. Besonders aufregend war es im Jahr 2021. Erst dachten wir, ein Gewitter hat das Gelege zerstört und dann waren es sogar vier Jungstörche, die überlebten!
Je häufiger die Eltern fliegen, je mehr Junge sind vermutlich im Nest. Ein Storchenküken wiegt etwa 70 Gramm und nimmt am Anfang täglich so viel Nahrung wie das eigene Körpergewicht zu sich.
Störche sind Nahrungsopportunisten. Das heißt, dass sie keine spezielle Nahrung suchen müssen, sondern sich an dem bedienen, was ihr Brutgebiet bietet. Seit ungefähr drei Jahren beobachten wir, dass die Störche auf einer kleinen Insel in der Nette landen und dort im Wasser nach Fischen oder Schnecken suchen. So haben sie in Henneckenrode auch zu Trockenzeiten ein relativ gutes Nahrungsangebot.
Die Jungen bleiben etwa 7 Wochen im Nest. Die Aufzucht der Jungen übernehmen beide Elterntiere. Ein Elternteil, bei uns fast immer die Mutter, bleibt stets am Nest und bewacht und wärmt die Jungen oder schützt sie vor Regen.
Nach etwa vier Wochen fangen die Jungvögel an, ihre Muskelatur zu stärken und auf das Fliegen vorzubereiten.
Diese Flugübungen vollführt der Nachwuchs teilweise auch gefährlich nah am Rande des Storchennests.
Bei diesen Übungen ist 2018 einer der Störche leider abgestürzt.
Anfang Juli sind die Jungen in Henneckenrode dann flügge und verlassen das Nest. Jetzt erkennt man sie eigentlich nur noch an dem schwarzen Schnabel, da sie oftmals so groß sind wie das Muttertier. Addi Adebar als Vater setzt sich durch seine stattliche Größe weiterhin gut erkennbar ab.
Nach 14-tägigen Flugübungen wagen sie den Schritt in die Freiheit, sie stürzen sich in die Tiefe und vertrauen auf ihre Fähigkeit des Fliegens. Was zu Beginn noch schwierig ist, sind die Landemanöver. Da kommt es teilweise zu lustigen Szenen.
Storchenangriffe
Das ganze Storchenjahr über kommt es zu Angriffen fremder Störche auf das Nest auf dem Schornstein.
Dabei spielen sich oftmals dramatische Szenen ab!
Es grenzt an ein Wunder, dass sich noch kein Storch verletzt hat.
Am 05. April 2020 ab 18.30 Uhr kam es zum bisher größten Storchenkampf in Henneckenrode. Ein fremdes Storchenpaar hat ca. 30 Minuten lang versucht, den Schornstein für sich zu gewinnen. Das angestammte Paar ist ihnen sogar Richtung Werder gefolgt! Als dann alle vier fast gleichzeitig zurückkamen, gab es tolle Wettflüge zu beobachten. Alle vier waren so aufgeregt, dass sie direkt über unsere Köpfe jagten. Daher konnte ich selbst mit meinem mittelmäßigem Zoom schöne Nahaufnahmen machen! Es war regelrecht eine Kriegslist zu beobachten, denn einer der Störche ließ sich zurückfallen, kam vom hinteren Wald, einen großen großen Bogen beschreibend, in die Flanke der anderen drei gebrochen. Und das aus erheblicher Höhe! Das war mehrmals zu beobachten, jedoch wohl auch kräftezehrend, er musste sich öfter in der Deckung des Pfarrgartens ausruhen.
Flug in die Überwinterungsgebiete
Der Flug in Richtung Süden wird bei uns im August angetreten, wobei die Jungstörche ein bis zwei Wochen früher als die Altvögel starten.
Oft sammeln sich Störche an bestimmten Orten, um den Aufwind zu nutzen und gemeinsam die lange Reise anzutreten. 2015 war Henneckenrode so ein Ort.
Und dann hoffen wir auf ein Wiedersehen mit Addi im nächsten Jahr!